Deutscher Data-Act-Umsetzungsentwurf (2025) Analyse, Durchsetzung und Folgen für Unternehmen
Am 1. Dezember 2025 wurde im Deutschen Bundestag der deutsche Data-Act-Umsetzungsentwurf (Drucksache 21/2998) eingebracht.
Mit diesem nationalen Durchführungsgesetz legt die Bundesregierung fest, wie der EU Data Act ab 2025 in Deutschland überwacht, durchgesetzt und sanktioniert wird.
Damit wird erstmals konkret, welche Aufsichtsstrukturen, Bußgelder, Dokumentationspflichten und technischen Anforderungen auf Hersteller vernetzter Produkte, IoT-Anbieter und Dateninhaber zukommen. Der Entwurf macht deutlich: Data-Act-Compliance wird ein zentraler Bestandteil der Unternehmensführung.
1. Warum Deutschland ein Data-Act-Durchführungsgesetz benötigt
Der EU Data Act definiert umfassende materielle Pflichten für Dateninhaber, Hersteller, Nutzer und Datenempfänger. Dazu gehören unter anderem:
- Bereitstellung von Daten aus vernetzten Produkten,
- Weitergabe von Daten an Dritte,
- Transparenzanforderungen,
- Interoperabilitäts- und Standardisierungsaspekte,
- Fairnesspflichten in Verträgen,
- sowie Datenzugriffe durch öffentliche Stellen in Notlagen.
Was die EU-Verordnung nicht regelt, ist wer in den Mitgliedstaaten diese Pflichten überwacht und durchsetzt.
Der deutsche Gesetzentwurf schließt genau diese Lücke: Er definiert Zuständigkeiten, Verfahren, Aufsichtsbefugnisse und Sanktionen, um den Data Act in Deutschland rechtsverbindlich operationalisierbar zu machen.
1.1. Struktur und Aufbau des deutschen Durchführungsgesetzes
Der vorliegende Gesetzentwurf umfasst 14 Paragraphen, die sich in drei zentrale Themenblöcke gliedern:
- Allgemeine Bestimmungen (§§ 1–3) – regeln Zweck, Anwendungsbereich und Definitionen.
- Aufsicht und Befugnisse (§§ 4–10) – umfassen Zuständigkeiten der Bundesnetzagentur, Ermittlungsinstrumente, Koordinationsmechanismen und Dokumentationspflichten.
- Sanktionen und Verfahren (§§ 11–14) – enthalten Bußgeldtatbestände, Zwangsgelder und Verfahrensvorschriften.
Diese Struktur verdeutlicht, dass der Schwerpunkt des Gesetzes auf der operationalen Durchsetzbarkeit der EU-Verordnung liegt und weniger auf der materiellen Regelung neuer Pflichten, die bereits durch den Data Act selbst vorgegeben sind.
2. Die wichtigsten Regelungen im deutschen Data-Act-Umsetzungsentwurf
2.1. Bundesnetzagentur als zentrale Aufsichts- und Durchsetzungsbehörde
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) wird zur nationalen Leitbehörde für den Data Act. Sie fungiert als:
- Anlaufstelle für Nutzer, Unternehmen und Behörden,
- Aufsichtsbehörde für alle Data-Act-Pflichten,
- Beschwerdestelle nach Artikel 38 der EU-Verordnung,
- Koordinatorin im Austausch mit EU-Kommission und Mitgliedstaaten,
- Zulassungsbehörde für Streitbeilegungsstellen.
Deutschland setzt damit auf Zentralisierung, wie man sie bereits aus Telekommunikations- und Energierecht kennt. Domänen in denen Regulierung nicht unbedingt als "sanft" gilt.
2.2. Erweiterte Ermittlungs- und Eingriffsbefugnisse
Der Entwurf verleiht der BNetzA ein umfangreiches Instrumentarium, darunter:
- Auskunftsverlangen,
- Vorlagepflichten technischer und organisatorischer Unterlagen,
- Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen,
- Vor-Ort-Prüfungen und Augenscheinnahmen,
- vorläufige Anordnungen zur Sicherung von Pflichten.
2.3. Bußgelder und Zwangsgelder im nationalen Kontext
Der Gesetzentwurf enthält einen konkreten Bußgeldkatalog, unter anderem:
- bis 500.000 € bei Verstößen gegen Transparenz- oder Bereitstellungspflichten,
- bis 5 Mio. € bei besonders schwerwiegenden Verstößen,
- bis zu 2 % des weltweiten Jahresumsatzes für Unternehmen über 250 Mio. € Jahresumsatz (z. B. im Kontext von Art. 5 Abs. 3 Data Act),
- Zwangsgelder bis 500.000 € zur Durchsetzung behördlicher Anordnungen.
Deutschland nutzt seinen Handlungsspielraum damit konsequent am oberen Ende. Wenn man bisher dachte, der Data Act sei „eher symbolisch“, dann ist hier der Moment, in dem dieser Gedanke leise den Raum verlässt.
2.4. Verpflichtung zur Bereitstellung „geheimnisfreier“ Dokumentenversionen
Eine Besonderheit des deutschen Entwurfs:
Unternehmen müssen bei vertraulichen Dokumenten zwei Versionen vorlegen:
- die vollständige Fassung,
- eine geschwärzte, geheimnisfreie Zweitversion.
Diese Parallelstruktur wird in der EU-Verordnung nicht ausdrücklich verlangt und wird neue Prozesse insbesondere in Rechtsabteilungen und Produktorganisationen erfordern.
2.5. Zusammenarbeit zwischen Bundesnetzagentur und Datenschutzaufsicht
Der Entwurf regelt das Zusammenspiel klar:
- Der BfDI ist zuständig für Aspekte personenbezogener Daten.
- Die BNetzA bleibt führende Behörde und ist an datenschutzrechtliche Bewertungen des BfDI gebunden.
Damit entsteht eine duale Aufsicht, die Unternehmen organisatorisch berücksichtigen müssen.
3. In welchen Bereichen Deutschland den Data Act verschärft
Der deutsche Gesetzgeber geht in mehreren Punkten über den EU-Rahmen hinaus:
(1) Konkreter Bußgeldkatalog
Die Bußgelder sind detailliert an einzelne Tatbestände gekoppelt.
(2) Hohe Zwangsgelder
Diese Anreize sind aus der Telekommunikationsaufsicht bekannt und sie sind wirksam.
(3) Pflicht zur geheimnisfreien Zweitversion
Mehr Transparenz, mehr Aufwand.
(4) Umfangreiche Ermittlungsinstrumente
Der Maßnahmenkatalog entspricht im Stil kartellrechtlichen Befugnissen.
4. Wo der Gesetzentwurf Unternehmen entlastet
(1) Klare Zuständigkeit der Bundesnetzagentur
Statt fragmentierter Zuständigkeiten gibt es eine zentrale Behörde.
(2) Förderung freiwilliger Vereinbarungen
Die Behörde soll Kooperationen zwischen Hersteller, Nutzer und Dritten erleichtern.
(3) Zulassung von Streitbeilegungsstellen
Weniger Konfliktkosten, mehr Rechtssicherheit.
5. Was der Data Act für Hersteller vernetzter Produkte und IoT-Anbieter bedeutet
Der Data Act wird 2025 zu einem strukturellen Compliance-Thema, technisch wie organisatorisch.
5.1. Technische Anforderungen an Data-Act-konforme Schnittstellen
Unternehmen benötigen künftig:
- sichere, skalierbare APIs zur Datenbereitstellung,
- Echtzeit- oder Near-Real-Time-Zugänge,
- fein granuliertes Rechte- und Berechtigungsmanagement für Nutzer und Dritte,
- vollständige Audit-Logs,
- automatisierte Prozesse zur Bearbeitung von Datenanfragen,
- maschinenlesbare Datenformate,
- technische Nachweisdokumentation für Behörden.
Für viele IoT-Architekturen entsteht hier eine deutliche Reifegradlücke.
5.2. Organisatorische Konsequenzen
Unternehmen müssen:
- standardisierte Anfrageprozesse etablieren,
- Dokumentationspflichten erfüllen (einschließlich Ablehnungen),
- technische Informationen transparent bereitstellen,
- Geschäftsgeheimnisse sauber klassifizieren,
- interne Rollen und Verantwortlichkeiten definieren.
Ein Großteil der Compliance ist prozessual, nicht technisch.
5.3. Rechtliche Risikosteuerung
Mit den im Gesetzentwurf definierten Sanktionsinstrumenten entsteht:
- ein quantifizierbares finanzielles Risiko,
- ein Reputationsrisiko durch mögliche öffentliche Entscheidungen,
- ein Haftungsrisiko bei unzureichender oder widersprüchlicher Datenbereitstellung.
Die strategische Priorisierung von Compliance wird dadurch unausweichlich.
5.4. Markt- und Wettbewerbsdynamik
Unternehmen, die Data-Act-Konformität frühzeitig sicherstellen, schaffen sich einen Vorteil:
- bessere Verhandlungsposition gegenüber OEMs,
- schnellere Integration in Ökosysteme,
- höhere Attraktivität für datenbasierte Geschäftsmodelle,
- geringeres regulatorisches Risiko.
Data-Act-Readiness wird bereits 2025 ein Beschaffungs- und Partnerschaftskriterium werden.
6. Was der Gesetzentwurf für Data-Act-Technologielösungen bedeutet
Durch die klare nationale Umsetzung steigt die Nachfrage nach:
- standardisierten APIs,
- Data-Act-konformen Datenaustauschplattformen,
- automatisierten Nutzer- und Drittempfängerportalen,
- technischer Compliance-Dokumentation,
- Audit-Logs,
- Reporting-Modulen für Behörden,
- Tools zur Verwaltung und Klassifizierung von Geschäftsgeheimnissen.
Viele Anbieter werden hier ihre Lösungen erweitern und für den Data Act rüsten müssen, was zusätzliche Investitionen und laufende Kosten bedeutet. Um zusätzliche Ausgaben für das Erreichen der Data Act Compliance zu verhinder können Hersteller auf spezielle Anbieter von Data-Act-Technologie (wie z.B. das Data Act Kit) setzen.
7. Fazit: Der deutsche Gesetzentwurf macht die Data-Act-Pflichten verbindlich – und drängt Unternehmen zum Handeln
Mit der Drucksache 21/2998 schafft die Bundesregierung die Grundlage für eine konsequente, zentralisierte und rechtlich robuste Durchsetzung des EU Data Act.
Für Unternehmen bedeutet dies:
- klare Zuständigkeiten,
- präzise Sanktionsmechanismen,
- hohe Bußgeldrisiken,
- umfassende Transparenzanforderungen,
- erweiterte behördliche Befugnisse,
- und vor allem: keine Zeit zu verlieren.
Die technische und organisatorische Umsetzung der Data-Act-Pflichten ist anspruchsvoll, aber sie eröffnet zugleich neue Potenziale für datengetriebene Innovationen.
Unternehmen, die frühzeitig handeln, reduzieren nicht nur regulatorische Risiken, sondern gewinnen einen strategischen Vorteil in einem zunehmend vernetzten und datenbasierten Markt.
FAQ zum deutschen Data-Act-Umsetzungsentwurf
Wann tritt der Data Act in Deutschland in Kraft?
Der EU Data Act gilt ab dem 12. September 2025 unmittelbar, unabhängig des deutschen Durchführungsgesetzes. Das deutsche Durchführungsgesetz regelt die nationale Aufsicht und Durchsetzung.
Welche Behörde überwacht den Data Act in Deutschland?
Die Bundesnetzagentur wird zentrale Aufsichts- und Durchsetzungsbehörde.
Welche Bußgelder drohen?
Je nach Verstoß bis zu 500.000 €, in schweren Fällen bis 5 Mio. € oder 2 % des weltweiten Jahresumsatzes.
Wer ist vom Data Act besonders betroffen?
Hersteller vernetzter Produkte, IoT-Anbieter, Dateninhaber, Nutzer und Dritte, die Daten anfordern oder erhalten.
Welche technischen Anforderungen stellt der Data Act?
Unternehmen müssen Data-Act-konforme APIs, Rechteverwaltung, Audit-Logs und automatisierte Anfrageprozesse bereitstellen.
Was bedeutet die Pflicht zur geheimnisfreien Dokumentversion?
Unternehmen müssen künftig eine geschwärzte, nicht-vertrauliche Version sensibler Unterlagen zusätzlich zur Vollversion bereitstellen.
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